In den
nächsten zwei Monaten ist Christiane vom Blog „Christianes LandKultur“
Gastgeberin bei unserer Linkparade „einfach. nachhaltig. besser. leben“. In
ihrem Beitrag geht es um unsere Werte und warum sie als Grundpfeiler unserer
Kultur so bedeutend sind.
Ich gebe zu,
in diesen ver-rückten Zeiten, in dem ein Virus, ob nun natürlich oder künstlich
entstanden, die Welt in Atem hält, habe ich mich schwer getan, ein klares Thema
für die aktuelle Blog-Parade zu finden.
Das Thema
"Werte" und "Wertewandel" ist durch zwei Erlebnisse in
meinen Fokus gerückt. Zum einen bin ich vorige Woche zufällig auf einen
Dokumentarfilm der US-amerikanischen Fotoreporterin Lauren Greenfield gestoßen, der
mir viele Fragen beantwortet hat, die mich beschäftigt haben. Zum anderen arbeite
ich mich seit einigen Monaten durch Unterlagen von mir aus den 80er und 90er
Jahren. Es sind Zeitschriftenartikel, Schulhefte, Projektarbeiten aus der DDR und
dem wiedervereinigten Deutschland.
No Planet B: Andere Zeiten, aber dieselben
Sorgen. Das Plakat stammt aus dem Jahr 1983, als während des Kalten Krieges
Mittelstreckenraketen in Europa stationiert wurden.
Dabei ist
mir aufgefallen, dass sich meine eigenen Themen und Interessen kaum verändert
haben. Ich habe mich schon als Kind für Heimatkunde begeistert, war in der AG
"Junge Naturforscher" und "Junge Historiker", habe ein
naturwissenschaftliches Studium gewählt und arbeite im Bereich Umweltpädagogik.
Mir selbst Wissen über Pflanzen und natürliche Zusammenhänge anzueignen und dieses
verständlich an Kinder und Erwachsene weiterzuvermitteln, macht mir viel
Freude. Die Dinge, denen ich also "Bedeutung gebe", wie das "Wörterbuch
der deutschen Sprache" den Begriff "Wert" erklärt, sind Natur
und Beziehungen.
Aber ich
weiß auch, wie schwer es einem in dieser Gesellschaft gemacht wird, wenn man diesen
Dingen Bedeutung gibt. Schon der Naturpoet Henry David Thoreau hat sich vor 150
Jahren darüber beschwert: "Wenn ein Mensch einmal einen halben Tag lang in
den Wäldern spazieren geht, weil er sie liebt, dann besteht die Gefahr, dass er
als Tagedieb angesehen wird; wenn er dagegen den ganzen Tag als Unternehmer
zubringt und diese Wälder abhakt und die Erde vorzeitig kahl werden lässt, so
wird er als fleißiger und unternehmenslustiger Bürger betrachtet."
2014 habe
ich für den Naturpark Thüringer Schiefergebirge ein touristisches Konzept
erarbeitet, bei dem ich auf die besonderen natürlichen Stärken dieser
Nationalen Naturlandschaft zur Erholung aufbauen wollte. Aus der regionalen
Politik und Wirtschaft kam aber zurück: "sanfter Tourismus würde sie an
den 'Ruhe sanft'-Spruch auf dem Grabstein erinnern."
Aber warum
glauben wir, dass im Einklang mit der Natur zu handeln, bedeutet, "dass
wir zurück sollen in eine eiskalte Höhle und uns von gammeligen Kartoffeln
ernähren"? (Bob Hoskins, Gründer der "Transition-Town"-Bewegung.
An diesem
Punkt hat mir Lauren Greenfields Dokumentation "Generation Wealth" weitergeholfen. Die Harvard-Absolventin dokumentiert
seit über 20 Jahren, wie und warum die Besessenheit des amerikanischen Traums von
Wohlstand und Status so extrem gewachsen ist. Ein Virus, der sich, wie sie
sagt, mit der Globalisierung auf der Welt verbreitet hat.
Typisch DDR: Papier und Altglas wieder
gesammelt und wiederverwertet.
Greenfields Interviewpartner
sehen die Ursache dafür im Wertewandel, den die US-amerikanische Gesellschaft
seit den 80er Jahren erlebt hat. Der ehemalige Hedgefondmanager Florian Hamm,
der an der Harvard Business School studiert hat, erklärt, dass die US-Regierung
unter Ronald Reagan den Schwerpunkt selbst auf Reichtum gelegt hat. "Sie
gibt selbst weit mehr aus, als sie besitzt."
Für den
Journalisten Chris Hedges wird so die "Illusion des amerikanischen Traums
aufrecht erhalten". "Wir liehen Geld, um einen Lebensstil und ein
Imperium aufrechtzuerhalten, dass wir uns nicht mehr leisten konnten."
Junge
Menschen, wie Hamm, gingen ins Bankenwesen und wollten wie die fiktionale Figur
Gordon Gecko aus dem Film "Wall Street" (1987) sein, der sagt:
"Gier ist gut, Gier funktioniert." Heute hält Hamm das für einen
"giftigen, schädlichen Traum [...] einen Sack voller vergammelter Waren,
den wir der Welt verkaufen."
Chris Hedges
wird da noch radikaler: "Wir sterben auf die gleiche Weise wie andere
Imperien vor uns. Der Unterschied ist nur, wenn wir diesmal untergehen, geht
der ganze Planet mit uns."
Upcycling Ende der 80er Jahre in der
DDR.
Dieses Ende
wünsche ich uns nicht und stimmt da eher Bob Hoskins zu: "Es kann phantastisch
werden. Der Mensch ist so intelligent, so kreativ. Wir sind fähig, unglaubliche
Dinge zu vollbringen ..."
Corona, kann
so ein Impuls sein, um neue Werte-Standards zu etablieren, denn der Virus hat
eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Krise ohne gleichen ausgelöst. Aber,
wie das so ist mit Krisen, gibt es immer zwei Möglichkeiten, mit ihnen
umzugehen: zum Alten zurückkehren oder verändern.
Der
Glücks-Forscher Mihaly Csikszentmihalyi schreibt in seinem Buch
"Kreativität. Wie Sie das Unmögliche schaffen und Ihre Grenzen
überwinden" (Stuttgart, 2010), dass es sehr viel Mühe und Anstrengung
kostet, Traditionen zu verändern. Für eine kulturelle Evolution müssen kreative
Menschen, die bestehende Information, wie eine Wertevorstellung, verändern.
Dann müssen genug einflussreiche Personen diese Veränderung für eine Verbesserung
halten, damit sie zum Teil der Kultur wird. Und zum Schluss müssen die
Mitglieder der Gesellschaft dieses Wissen erwerben, um den Fortbestand der
Information zu sichern.
Da
"materielle Begierden keine natürlichen Grenzen kennen", wie der
Berliner Produktdesigner Moritz Grund schreibt, wir aber keinen Planet B haben,
brauchen wir mehr Menschen und Ideen, die es uns ermöglichen, eine naturnahe,
verbundene Welt zu schaffen.
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